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Sperrklauseln nicht nur für Europawahl verfassungswidrig?

Bald auch keine Fünf-Prozent Sperrklauseln bei Wahlen in Deutschland? Das ist die Perspektive, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.02.2014 zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht eröffnet. Denn das Gericht hat das Gebot der Chancengleichheit der politischen Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG erheblich gestärkt. Die Ausgrenzung kleiner Parteien aus den Parlamenten hat es in seiner Begründung in Frage gestellt.

Ungerechtes Kartell der etablierten Parteien

Tatsächlich bilden die in den Parlamenten vertretenen Parteien mit ihren gesetzgebenden Mehrheiten ein Kartell gegen die Parteien mit einer Wählerschaft unter fünf Prozent. Nach dem Auszählungsverfahren Hare/Niemeyer besteht bereits eine effektive Sperrklausel in der erforderlichen Stimmenanzahl für einen Parlamentssitz. Dieses Mindesterfordernis gilt aber im Sinne einer Chancengleichheit der Parteien nur dann, wenn es keine weitere Sperrklausel gibt.

Größere Parteien eignen sich Parlamentssitze an

Faktisch werden mit der Fünf-Prozent-Klausel die Sitze, die den kleineren Parteien aufgrund der Wählerstimmen zustehen würden, auf die anderen Parteien verteilt. Mit der Anzahl der Stimmen, mit der CSU- oder SPD-Abgeordnete gewählt werden, müssen auch Abgeordnete kleinerer Parteien gewählt werden können. Nur dann besteht im Verhältniswahlrecht Chancengleichheit.

Bald Klagen gegen Bundes- und Länderwahlrecht?

Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit folgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes, „dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss“, und (…) „dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss.“ http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-014  Nach diesen Grundsätzen dürften Klagen gegen die Fünf-Prozent-Klauseln im deutschen Wahlrecht gute Erfolgsaussichten haben.

Mangelnde Funktionsfähigkeit der Parlamente muss belegbar sein

Solange die Union und SPD überall in Deutschland klare Mehrheiten, meistens sogar Zwei-Drittel-Mehrheiten in den Parlamenten bilden können, entbehren die Unkenrufe vom Untergang des Parlamentarismus durch die Kleinparteien jeder Realität. Das Bundesverfassungsgericht verlangt jedenfalls, dass eine Entwicklung zur Funktionsbeeinträchtigung der Parlamente „aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren“ sein muss. Real und aktuell geht die Gefahr eine Funktionsbeeinträchtigung der Parlamente von der Union und SPD aus, die Abstimmungsabsprachen treffen und Große Koalitionen bilden.

Mehr Demokratie durch Gerichtsurteile

Wie beim Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Vorratsspeicherung sind es die höchsten Gerichte in Deutschland, die Freiheit und Demokratie  bewahren und fortentwickeln. Die erfolgreiche Klage der Piratenpartei ist daher der richtige Weg. Es ist zu hoffen, dass auch in Bayern die Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahlen und die Zulassungsbedingungen für die Kommunalwahl in den nächsten Jahren fallen werden – notfalls durch Klagen vor Gericht. Erst dann herrscht die im  Grundgesetz vorgesehene Chancengleichheit der Parteien.

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